Angehängtes s bzw. n bei Frauennamen

Warum wurde früher bei den Familiennamen der Frauen oft ein s oder n (je nachdem, was wohl klanglich besser passte) angehängt?

Ich habe dazu noch keine passende Erklärung gelesen/gefunden.

Detlef Pannhorst
 
Hallo Detlef,

jenachdem über welche Zeit wir hier reden, besassen Frauen keine eigene Rechtspersönlichkeit incl. eigenständiger Handlungsbefugnis und wurden daher stets definiert als Tochten von jemandem, Frau von jemandem, Witwe von jemandem etc. etc.

Dabei wurde auf die jeweils genannte Frau oft im Genitiv oder im Dativ Bezug genommen, um das "Untertanen-/Vormundschafts-Verhältnis" ;) anzuzeigen, und somit an ihren Familiennamen ein "s", "es", "n", "en", "in" angehängt.

Also lediglich eine bloße Namensdeklination - mehr nicht.

Gruss
Vera
 
Hallo Vera,

danke für Deine Erklärungen. So oder so ähnlich hatte ich es mir schon gedacht. Mich wundert nur, dass man so etwas nicht bei GenWiki oder anderen Informationsseiten zur Ahnenforschung findet.

Gruß Detlef
 
Hallo Detlef,

nun ja, wie heißt es so schön: Nobody's perfect. ;)

Noch eine kleine Ergänzung: meine Heimat ist der sog. "Nordkreis" des Kreises Minden-Lübbecke. Dort wird noch viel Plattdeutsch gesprochen und hierbei ist es noch heute gängige Praxis z.B. (fiktives Beispiel) auf eine Frau als Meiers Lisa Bezug zu nehmen, und zwar auch dann, wenn die fiktive Lisa -durch zwischenzeitliche Verheiratung- mittlerweile einen ganz anderen Familiennamen führt.
Auch hier dient das angehängte "s" beim FN dazu, eine gewisse Zugehörigkeit / Abstammung / Herkunft anzuzeigen.

Gruss
Vera
 
Hallo zusammen,

die Erklärung erscheint mir etwas hart. Die Geschichte mit den fehlenden Persönlichkeitsrechten der Frau ist eine relativ neuzeitliche.
Zu sehen u.a. daran, dass teilweise trotz Vorhandenseins eines männlichen Erbens eine Tochter den Hof übernahm. In Westfalen z.B. war es zudem sehr üblich - und somit in unserer eingeschränkten Sichtweise der Vergangenheit in Sachen Rechte der Frauen teilweise sehr erschwerend - , dass bei der Hochzeit der Name der Frau als Ehename geführt wurde.

Zu den Anhängen bei Nachnamen "-in" oder "-s" oder "-sche" gibt es Vergleichbares in den slawischen Sprachen: z.B. heißen Männer mit Nachnamen Navratil, Frauen dagegen Novratilova, oder Koprzinski und Koprzinska.

Es ist halt einfach so, dass Namen früher entsprechend dem Geschlecht ihrer Träger dekliniert wurden. Mit Besitz oder Dergleichen hatte das gar nichts zu tun.

LG
Frank
 
Hallo Frank,

Ausgangspunkt der Fragestellung war die Frage, warum sich sprachliche Deklinationen so entwickeln, wie sie sich entwicklen bzw. über die Historie betrachtet entwickelt haben. Und das hat nun einmal auch damit zu tun, um Abstammungs- oder Sippenzugehörigkeiten darzustellen.
(Sehr schön heute noch zu sehen bei slawischen Sprachen oder z.B. bei nordischen Sprachen die klassische Patronyme zeigen.)

Das "westfälische Bauernrecht" ist ein anderes Paar Schuhe.

Besten Gruß
Vera
 
Noch eine Anmerkung dazu:
Im fränkischen Dialekt ist es ebenfalls heute noch normal, von der Meiers Lisa zu sprechen. Das ist hier allerdings nicht geschlechtsbezogen. Genauso ist auch üblich vom Schusters Peter oder von der Schusters Lisa, wenn die Meiers Lisa den Schusters Peter geheiratet hätte, zu sprechen. Hätte sie aber den Wolfgang Frank geehelicht (also den Franken Wolfgang) wäre sie die Franken Lisa.
Es spielen hier also bestimmt auch Eigentümlichkeiten der Umgangssprache und des Dialekts eine Rolle, die sich dann auch in den Kirchenbucheinträgen wiederfinden.
Die Endung „in“ kennzeichnet jedoch eindeutig nur das weibliche Geschlecht. Die „Meyerin“ ist immer weiblich und trägt den Familiennamen „Meyer“ und manche Pfarrer verwenden durchgängig bei allen weiblichen Wesen die Endung „in“. Das entspricht der Verwendung in den slawischen Sprachen, wie es Vera oben schon beschrieben hat.
Gruß
Hanna
 
Im "westfälischen Bauernrecht" (um mal VNagel zu zitieren) gibt es noch eine Variante, und das ist die -sche Endung in den KBs des 18. Jahrhunderts (z.B. die Siekmansche, oft dann ohne Vornamen bei Todeseintragungen und Paten).
Hier wird angezeigt, dass es sich um die Bäuerin des Siekmann-Hofes handelt. Wenigstens ein Anhaltspunkt, wenn dort - wie so oft - leider sonst nichts steht. Wenn es mehrere Siekman-Höfe im Kirchspiel gibt, beginnt das Rätselraten.
Aber das ist man als Familienforscher in Ostwestfalen gewohnt.

MfG

Bernd
 
Jau, Bernd, so is dat.
Un denn givt dat noch dat "sine".
Tom bispeel: de Vadder heet "Müller", dann sien Fru is
"Müllers Siene" oder de Blagen sind ook "Müllers siene".
De Wetenschap is man een bitken gries
und weet ook nich allens.
Hool die fuchtig !

Inspector Bräsig
 
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