O ja, ich weiß das sehr gut, wann und wo ich getauft wurde. Ich war vier Jahre alt und wurde zusammen mit meinem gerade geborenen Bruder getauft. Meine Mutter hatte mir mein Lieblingskleid angezogen. Deshalb hüpfte ich ausgelassen den ganzen Weg zur Kirche.
Das war das erste, was ich versuchte: in der Kirche anrufen, wo ich getauft worden bin. Tja, und damit begann die Odyssee nach dem Passierschein A38. Doch, ich wohne vor Ort. Ans Morgenstern-Museum hat man mich verwiesen, zum Schluss sogar nach Bremen. Ich fragte jemanden, der sich auskannte. Der erklärte mir genau, wen ich wie wo fragen muss. Auch dass ich die Gebührenordnung im voraus anerkennen sollte. Ich habs schriftlich gemacht, und war auch selbst da.
Und wurde schon wieder abgewimmelt. Mein Bekannter sagte darauf, dass ich froh sein kann, dass das kein essentiell wichtiges Dokument ist für mich, dass mein Leben ja nicht davon abhängt, das Dokument zu haben oder nicht.
Ja, ich weiß, dass man in jener Zeit schon vom Gesetz her nach seinen Vorfahren suchen musste. Sogar in der Schule wurden die Schulkinder dazu angehalten. Seinen Ahnenpass hat mein Vater aus seiner Schulzeit und nie weggeworfen. Er war mein Einstieg in die Familienforschung. Ich war so frech und habe die Lücken ausgefüllt. Aber ich musste erleben, wie meine Verwandtschaft alles andere als begeistert war von meinem neuen Hobby. Ihnen waren die Daten, nach denen ich fragte, denn doch zu persönlich.
Meine Tante hat mir einen Haufen Unsinn über ihre Familie erzählt. Erst im Laufe der Jahre habe ich erfahren, welche Tragik sich zwischen ihr und ihrer Mutter bzw meiner Oma ereignete. Als ich davon erfuhr, konnte ich es ihr nicht verdenken, dass sie es mir verübelte, danach gefragt zu haben.
Ich hab mich nämlich an das Standesamt ihrer Heimat gewendet und um Auskunft nach meinen Vorfahren gebeten. Man war da sehr zuvorkommend und hat mir eine umfassende Ahnentafel gesendet aus der Wallrafschen Familienkartei. Die habe ich meiner Tante vorgelegt, und da stand dann was ganz anderes über ihre Vorfahren, als sie mir erzählt hatte. Der Lüge überführt wurde sie mächtig sauer und machte ihrem Ärger Luft. Was es mich denn wohl angehe, wer wann wie ein uneheliches Kind bekommen habe und ob ich Hitlers Judenverfolgung wieder ausgraben wolle, irgendwas in der Art. In ihrem Zorn beschloss sie, sich an die Ämter ihrer Heimat zu wenden und die Behörden zu bitten, mich in dieser Angelegenheit zu behindern, woimmer es gehe. Das tat sie. Und das Saarland war seitdem dicht, wenn es um Ahnenforschung ging.
Das lassen sich die Leute natürlich nicht gefallen. In aller Stille wurden Ortsfamilienbücher geschrieben. Nirgendwo kann man heute in Deutschland besser Ahnenforschung machen als gerade im Saarland. Niemand braucht sich mehr an irgendwelche Behörden wenden, wenn es um Familienforschung geht.
Mein Vater hat mich in meiner Familienforschung sehr unterstützt. Familienforschung kostet Geld. Und er hat alles alles anstandslos bezahlt, Die Vorfahren meines Vaters väterlicherseits kommen aus Ostdeutschland. Der Eiserne Vorhang im geteilten Deutschland war für die Ahnenforschung eher ein Vorteil als ein Nachteil, wie sich später herausstellte, als der plötzlich weg war. Aber meine Mutter hatte zu sehr mit ihren schmerzlichen Erinnerungen an den Krieg zu kämpfen, als dass sich irgendjemand für diese Sache begeistern ließe. Mein Bruder hat dann jemanden in der Familie gefunden, mit dem die Familie gar nichts mehr zu tun haben wollte, der sich selbst mit dem Thema befasste. Als ich meiner Mutter ihre Genealogie präsentieren konnte und ihr mitteilen konnte, dass man Bruder damit Geld verdiene, solche Dinge zu erkunden, hat sie das endlich milder gestimmt.