Der E(h)rsame, Arbeitsame und Mannhafte...

Die Formel oben finde ich immer wieder in den Einträgen aus dem 18. Jhdt.
"Ehrsam" (oder Ersam) ist Standard, arbeitsam sind die meisten, mannhaft die Ausnahmen.
Weiß jemand, welche Bedeutung diese einzelnen Attribute haben?
 
Da auch diese Attribute unterschiedlich in ihrer Bedeutung zu bewerten sind, geben Sie bitte konkret an, in welchen konkreten KB-Einträgen Sie dieselben finden.

Permalink zum jeweiligen Eintrag wünschenswert.

Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
 
Hier unter der Nr. 9 im Jahr 1775 (Seite 65) ist eine Trauung eingetragen.
Sowohl dem Bräutigam als auch der Braut werden Attribute beigegeben.
Diese variieren aber etwas. Ehrsam (wenn ich das richtig lese) ist Standard, mannhaft selten. Das Adjektiv unmittelbar vor "Georg Held" kann ich leider nicht lesen, es kommt seltener vor.
"Arbeitsam" ist sehr häufig, bedeutet es "fleißig"? Oder nur, dass jemand überhaupt seinen Lebensunterhalt selber verdiente?
 
Hier der direkt auf den genannten Eintrag zeigende Link


...der Ers[ame] u[nd] bescheid[ene] Georg Held

-----------

Dann gibt es allein auf dieser Seite.....

ehrsam
ehrbar
bescheiden
wohlbescheiden
mannhaft
achtbar
weise
geachtet
arbeitsam
kunsterfahren
 
Ich weiß... und die Frage wäre:
Weiß jemand, was hinter diesen formelhaften Attributen steckt?
Warum einer als "arbeitsam", der andere nur als "ehrsam" oder "bescheiden" bezeichnet wurde?
Sind das Codes analog "er bemühte sich stets"?
 
Guten Abend.

Das ist keine triviale Frage, die nonchalant aus dem Handgelenk beantwortet werden sollte.

Allein über die Verwendung von "ehrsam" und "ehrbar" in weltlichen(!) Schriften gibt es diverse universitäre Abhandlungen. Die kirchliche Einstufung dürfte davon zu unterscheiden sein.

Dann finden sich hier die unterschiedlichsten Kombinationen der infragestehenden Attribute, ggfls. in Abhängigkeit vom gesellschaftlichen Stand der betreffenden Person.

Allein die o.a. exemplarisch aufgeführten Adjektive lassen sich in mehrere, voneinander zu unterscheidende Gruppen einteilen:

a. ehrsam, ehrbar
b. arbeitsam, kunstverfahren
c. achtbar, geachtet

...so ist beispielsweise eine Einstufung von "arbeitsam" als höherwertig gegenüber "ehrsam" unzutreffend, weil einmal die "berufliche Ebene" angesprochen ist und einmal die "persönliche, charakterliche Ebene".

So viel für den Moment.
 
Ich kann mir nicht vorstellen, daß man mit der Logik heutiger Arbeitszeugnisse an jahrhundertealte Kirchenbucheinträge herangehen sollte. Meiner Ansicht nach sind das einfach Attribute, die man den Verstorbenen aufgrund ihrer Tugenden gegeben hat, da man über Tote nichts schlechtes sagen soll. Wobei mir "Ehrsam" häufiger im Zusammenhang mit dem Amt des Kirchenältesten aufgefallen ist (jetzt nicht in diesem Buch, aber woanders).
 
Falls jemand einen Link weiß, wo man Abhandlungen darüber finden kann, wäre ich natürlich dankbar.
Ansonsten besten Dank für die Mühe.
 
Als durchaus hilfreiches Online Nachschlagewerk empfiehlt sich auc hier: Wörterbuchnetz (bei den vorgeschlagenen Treffern in den verschiedenen auf dieser Plattform gebündelten Wörterbüchern, die älteren anwenden!)


Dann gibt es z.B. von Johann August Eberhard das aus den 1850ziger Jahren stammende 2-bändige Werk "Deutsche Synonymik" - ebenfalls online verfügbar und durchsuchbar

Band 1:

Band 2:


Und als ganz kleines, exemplarisches Beispiel einer online verfügbaren Hochschulschrift, die sich nur(!) mit der Ehrbarkeit befaßt (wenn auch im Spätmittelalter), sei verwiesen auf


"Der Stuttgarter Magistrat im Spätmittelalter"

....hieraus ein kurzes Zitat (Seite 28 des PDF)

....Die beiden am häufigsten verwendeten Titel sind „ehrsam“ und „ehrbar“. Es ist nicht ganz einfach
herauszufinden, welche Kriterien bei der Vergabe eines jener beiden Titel angelegt wurden,
erschwerend kommt hinzu, dass das Titelpaar „ehrsam“ und „ehrbar“ im Spätmittelalter in beinahe
allen deutschsprachigen Territorien auftaucht mit jeweils wechselnden Bedeutungen und Trägern

unterschiedlicher sozialer Schichten....

....und dazu dann bitte auch die Fußnote lesen!!

Dieses Zitat mag dazu dienen, die von mir bereits kurz angerissene Problematik zu verdeutlichen.

Fazit: Gibt es DIE EINE Bedeutung >>> NEIN!

Ein heute gebräuchliches "Bedeutungsmuster" wie z.B. für Arbeitszeugnisse, Schulnoten oder ähnliches zugrundezulegen, halte auch ich für falsch bzw. nicht zielführend.
Damit wird man weder der damaligen, zeitgenössigen Sprache / Ausdrucksweise, noch der damaligen gesellschaftlichen Struktur gerecht.

BG, Vera
 
Sehr interessante Frage, welche höchstwahrscheinlich regional sehr unterschiedlich gehandhabt wurde. Meiner Einschätzung nach (ohne einschlägige Recherche in dieser Hinsicht) ist der Begriff der Ehre, der ja ursprünglich dem Adel vorbehalten war, im Laufe der Zeit gesellschaftlich schlicht nach unten "durchgesickert". In Kirchenbüchern des 17. Jahrhunderts werden meiner bisherigen Beobachtung nach v. a. "Honoratioren", also Bürgermeister, Ratsmitglieder etc. mit entsprechenden Attributen bedacht. Hier im Beispiel (spätes 18. Jahrhundert) dürfte es sich dann um allgemeine Floskeln handeln, welche bei so gut wie sämtlichen (männlichen?) Personen Anwendung fanden, die gemäß ihrer Rolle und Funktion "innerhalb" der Gesellschaft anzusiedeln waren, wobei auffällt, dass viele der Zuschreibungen berufsspezifisch sind:

Ich habe schon von "nahrhaften" Bauern gelesen, "mannhaft" sind meist Soldaten, als "weise" oder "gerecht" werden Richter oder Gerichtsangehörige bezeichnet. Der Pfarrer im verlinkten Text versieht augenscheinlich die Bauern i. d. R. mit "ehr- und arbeitsam", die Handwerker mit "ehrsam und bescheiden", die Hirten mit "ehrsam und getreu" und die Bürger mit "geachtet" o. Ä. Schön in diesem Beispiel ist die erwähnte Kunsterfahrenheit (Berufserfahrung/Geschicklichkeit) des Baders (ein paar Seiten vorher auch für einen Jäger verwendet). Nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Pfarrer die Freiheit seiner Autorenschaft dazu genutzt hat, über die formelhafte Verwendung hinausgehend, (z.B. durch Weglassen) mehr oder weniger subtil Wertungen mit einfließen zu lassen. Vermutlich dienten die Formulierungen aber im Wesentlichen der Dokumentation und Abbildung des gesellschaftlichen Gefüges und der Stellung/Rolle der jeweiligen Personen darin.

Aufgefallen ist mir dabei schon mehrfach, dass moralisches "Fehlverhalten" etablierten Personen auf Dauer zuweilen wenig anhaben konnte: so kamen Bauernsöhne, selbst solche, die vorehelich andere Frauen (v.a. Dienstmägde) geschwängert hatten oder die bei ihrer Fornikanten-Trauung noch als "ungerathen" bezeichnet wurden, bei der Geburt ihrer Kinder und später wieder in den Genuss der üblichen Ehrbarkeits-Zuschreibungen. Am "Rande" der Gesellschaft wird es da schon dürftiger mit positiven Adjektiven. Spontan fallen mir nur "arme" Bettelleute ein (was man mit gutem Willen ja auch im Sinne von "schuldlos bedürftig" auffassen kann). Vielleicht kennt jemand andere Beispiele.
 
Sehr interessante Frage, welche höchstwahrscheinlich regional sehr unterschiedlich gehandhabt wurde. Meiner Einschätzung nach (ohne einschlägige Recherche in dieser Hinsicht) ist der Begriff der Ehre, der ja ursprünglich dem Adel vorbehalten war, im Laufe der Zeit gesellschaftlich schlicht nach unten "durchgesickert". In Kirchenbüchern des 17. Jahrhunderts werden meiner bisherigen Beobachtung nach v. a. "Honoratioren", also Bürgermeister, Ratsmitglieder etc. mit entsprechenden Attributen bedacht. Hier im Beispiel (spätes 18. Jahrhundert) dürfte es sich dann um allgemeine Floskeln handeln, welche bei so gut wie sämtlichen (männlichen?) Personen Anwendung fanden, die gemäß ihrer Rolle und Funktion "innerhalb" der Gesellschaft anzusiedeln waren, wobei auffällt, dass viele der Zuschreibungen berufsspezifisch sind:

Ich habe schon von "nahrhaften" Bauern gelesen, "mannhaft" sind meist Soldaten, als "weise" oder "gerecht" werden Richter oder Gerichtsangehörige bezeichnet. Der Pfarrer im verlinkten Text versieht augenscheinlich die Bauern i. d. R. mit "ehr- und arbeitsam", die Handwerker mit "ehrsam und bescheiden", die Hirten mit "ehrsam und getreu" und die Bürger mit "geachtet" o. Ä. Schön in diesem Beispiel ist die erwähnte Kunsterfahrenheit (Berufserfahrung/Geschicklichkeit) des Baders (ein paar Seiten vorher auch für einen Jäger verwendet). Nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Pfarrer die Freiheit seiner Autorenschaft dazu genutzt hat, über die formelhafte Verwendung hinausgehend, (z.B. durch Weglassen) mehr oder weniger subtil Wertungen mit einfließen zu lassen. Vermutlich dienten die Formulierungen aber im Wesentlichen der Dokumentation und Abbildung des gesellschaftlichen Gefüges und der Stellung/Rolle der jeweiligen Personen darin.

Aufgefallen ist mir dabei schon mehrfach, dass moralisches "Fehlverhalten" etablierten Personen auf Dauer zuweilen wenig anhaben konnte: so kamen Bauernsöhne, selbst solche, die vorehelich andere Frauen (v.a. Dienstmägde) geschwängert hatten oder die bei ihrer Fornikanten-Trauung noch als "ungerathen" bezeichnet wurden, bei der Geburt ihrer Kinder und später wieder in den Genuss der üblichen Ehrbarkeits-Zuschreibungen. Am "Rande" der Gesellschaft wird es da schon dürftiger mit positiven Adjektiven. Spontan fallen mir nur "arme" Bettelleute ein (was man mit gutem Willen ja auch im Sinne von "schuldlos bedürftig" auffassen kann). Vielleicht kennt jemand andere Beispiele.
Danke, das ist interessant und deckt sich mit dem, was ich so langsam auch beobachte.
Ich habe auch so eine ehemals "zuchtvergeßne" Fornicantin hier, die am Ende als tugendsame Frau besungen und begraben wurde :)
Die Männer mit der festen Kombi "ehrsam, achtsam und weise" sind also die Honoratioren.
Nur "ehrsam" ist die seltene Ausnahme, und ganz ohne Attribut sind nur die beiden Bettelleute, die mir bisher begegnet sind.
 
Zurück
Oben