Begräbnisse im 18./19.Jhd.

Hallo liebe Mitforschende,

heute habe ich mal eine ganz allgemeine Frage.

Wie sahen Begräbnisse um 17xx/18xx aus und wie wurden Friedhöfe angelegt?

Wurden früher auch schon Särge aus Holz gezimmert oder wurden die Verstorbenen verbrannt?

Gab es Grabsteine, so wie wir sie heute kennen, oder war das eher den reicheren Leuten vorbehalten und ärmere Bürger hatten nur Holzkreuze, oder etwa gar nichts?

Musste die Familie, wie heute, für ein Grab aufkommen und wurden diese auch nach einer bestimmten Dauer aufgelöst?

Herzlichen Dank im Voraus für Auskünfte jeglicher Art :)

Gruß Florian
 
Hallo Florian,

zur Art der Bestattung hier die mutmaßliche Abfolge eines Begräbnis in Württemberg Anno 1712, rekonstruiert aus dem "Nota Bene" zum Totenregistereintrag (ich werde die komplette Transkription hier gleich im Beitrag "Fundstücke (makabres, trauriges, erheiterndes)" ein)

http://www.archion.de/p/7a14aaaea2/

Demnach war der Leichnam der Toten eingewickelt und in einen hölzernen Sarg gelegt. Nach nach dem Begräbnis (einsenken des Sargs) war wohl die Gemeinde in der Kirche und es wurde eine Leichenprdeigt gehalten, während der Totengräber wohl schon das Grab zuschaufelte.
Nach der Zeremonie berichtete Der Praetor (Bürgermeister), im sei vom Totengräber berichtet worden, er habe Klopfgeräusche aus dem Grab/Sarg gehört....

Zu Bestattungriten für diese Zeit liest man oft, dass vor/beim Begräbnis ein Glockengeläut erfolgte und der Grabgang mit Gesang begleitet wurde. Gesungen wurde von den Trauergästen, und/oder engagierte Sänger, oft Schüler.

Sollte der Verstorbene bzw. die Angehörigen nicht die Mttel gehabt haben, sich viel "Drumherum" leisten zu können, erfolgte auch manchmal ein Begräbnis "in aller Stille", oder "ohne Gesang und Klang" - letzteres auch oft dann, wenn sich der Verstorbene etwas zu Schulden hatte kommen lassen, oder nachträglich für verfehlten Leenswandel abgestraft werden sollte.
Es konnte sich auch nicht jeder eine Leichenpredigt leisten. Natürlich musste auch damals schon für alles gezahlt werden, vom Totengräber bis zu den Dienstleistungen des Pfarrers... und da auch für jedes Extra.

Begraben wurde in der Regel immer auf dem Kirchhof, der oft nahe der Kirche war, oder in Platzermangelung auch abseits eingerichtet war. Die Kirchhöfe waren allermeist von Mauern umgeben. Das kann man daraus schließen, dass Selbstmörder allermeistens ganz am Rand ("nahe der Mauer" ) oder sogar außerhalb des Friedhofs, hinter der Mauer, bestattet wurden. Das findet man relativ oft so beschrieben. Und ganz schlimme Menschen, die irgendwo in der Lnadschaft zu Tode kamen, oder auch hingerichtete Mörder wurden oft sogar an Ort und Stelle oder irgendwo völlig abseits verscharrt, anders kann man es nicht ausdrücken.

Grabsteine gab es natürlich auch (aber nur selten wird in den Kirchenbüchern davon berichtet), es gibt ja noch genug historische Friedhöfe wo wir heute noch sehr alte Grabsteine sehen können, aber bestimmt konnte sich nicht jeder einen leisten. Daher wird es sehr oft Holzkreuze o.ä. gegeben haben (das ist jetzt aber nur eine vermutung von mir)

Das ist jetzt alles sehr verkürzt dargestellt, und beruht auf meinen Erkenntnissen aus dem Lesen hunderter (evangelischer) Kirchenbücher; bestimmt findest Du bei Internet-Recherche sehr viel mehr dazu.

Gruß,
Michael

 
Wer sich intensiver mit diesen Fragen beschäftigen möchte, für den empfehle ich das Buch: Philippe Ariès: Geschichte des Todes.
 
…oder hier:

„Das kirchliche Begräbnis in Deutschland im Wandel der Zeit - unter Berücksichtigung der protestantischen Beerdigung im 19. Jahrhundert“

https://www.grin.com/document/121143

…und bitte bei genereller Befassung mit diesem Themenkomplex ebenfalls fundiert differenzieren , ob Sie über evangelische oder katholische Riten / Bestattungskulturen sprechen.



 
Hallo,
einer weiterer Buchtipp, für einen guten Überblick (bis in die Gegenwart):
Reiner Sörries: Ruhe sanft - Kulturgeschichte des Friedhofs
hier ein Bsp. Link mit Möglichkeit einer Leseprobe:
https://www.buecher.de/shop/kulturs...er/products_products/detail/prod_id/37124667/

Demnach gab es z.B. erst ab 1800 gekennzeichnete Gräber für "Jedermann", zuvor war dies nicht durchweg üblich bzw. priviligierten Grabstellen vorenthalten (meistens an der Kirchenmauer gelegen bzw. in Form von Grufthausern, Arkaden, Schwibbögen etc.)

Ein kurzer Einblick in die frühere, multifunktionale Nutzung des Kirchhofes findet sich zudem hier:
https://www.lwl.org/westfaelische-g...ne4.php?urlID=453&url_tabelle=tab_websegmente

inkl. Einsichtsmöglichkeit der Hochfürstlich-Paderbörnischen Kirchen-Ordnung" aus dem Jahre 1686:
https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/que/normal/que26.pdf

 
Heute ist mir zufällig ein Buch über Kunstschlosserei aus dem Jahr 1897 in die Hände gefallen. Ein Kapitel widmet sich der Herstellung von Grabkreuzen aus Schmiedeeisen. Es heißt dort, daß diese zur Zeit der Renaissance in die allgemeine Aufnahme gekommen sind und man sich ihrer bis zu Anfang dieses Jahrhunderts bedient hat, „wie die Barock-, Rokoko-, Louis XVI- und Empirebeispiele unserer alten Friedhöfe zeigen. Später kamen dann die Monumente aus Stein zur Herrschaft, zwischen hinein auch gegossene Kreuze, und erst in allerneuester Zeit fängt man wieder an, auf die alte Sitte zurückzugreifen.“

Aus unserer Familienchronik ist mir eine Familiengruft bekannt, die mit steinerner Grabplatte verschlossen war (17./18. Jahrhundert), darauf eine Skulptur aus Stein.
 
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