Wieso kommt der Name Johann so häufig als erster Vorname vor? wird in späteren Einträgen auch häufig weggelassen?

Hier mal eine ungewöhnlich Frage in die Runde:
Ein Teil meiner Vorfahren stammt aus dem heutigen Sachsen-Anhalt. Es taucht auch in anderen Ecken auf, aber in Sachsen-Anhalt ist es wirklich auffällig und beinahe inflationär, egal ob im Mansfelder Land, im östlichen Harzvorland oder im Raum Halberstadt und Merseburg: Es geht so grob um die Jahre 1750 bis 1900. Es tauchen immer wieder männliche Vorfahren auf, deren erster Name Johann lautet. In späteren Urkunden oder Kirchenbucheinträgen wird dieser erste Vorname auch häufig weggelassen.

Hier ein paar Beispiele:

Johann Karl Hauck wurde am 30.03.1828 in Roßbach bei Merseburg geboren:
Im Taufeintrag seiner Tochter (07.07.1870), meiner Ururgroßmutter wird er nur noch Carl Hauk genannt:
Auch in ihrer Heiratsurkunde von 1903 steht: [...] Tochter des verstorbenen Handarbeiters Karl Hauk

Johann Andreas Kühne wurde am 04.02.1797 in Schafstädt bei Halle geboren:
In seinem Sterbeeintrag (1862) heißt er "nur noch" Andreas:

Johann Conrad Friedrich Vetterlein heiratete am 06.11.1774 in Annarode (keine Ahnung, wo er geboren wurde, deshalb hier der Heiratseintrag nicht der Taufeintrag):
Im Heiratseintrag seines Sohnes (Freckleben bei Bernburg, 1805) heißt er "nur noch" Conrad Friedrich:

Das sind drei Beispiele, aber mir ist es bestimmt 5 6 mal aufgefallen.

Ist Johann eine Art Titel oder sind sie damals als kleine Jungs ein irgendeinem Tag eines Heiligen geboren? Es ist auch auffällig, dass mir das Phänomen nur bei Protestanten auftritt. Bei Katholiken bspw. im Eichsfeld oder in Oberschlesien ist mir das Phänomen nicht aufgefallen. Kennt Ihr/Kennen Sie ähnliche Beispiele?

Viele Grüße und einen schönen Abend
 
Die Zeiten, die du hier angibst, sind ja nicht vor 1750. Damit also schon dort wo durch das Bevölkerungswachstum die mehrfachen Vornamen Hochkonjunktur hatten. Zur besseren Identifikation von Personen war das im verwaltungstechnischen Bereich sicherlich hilfreich, im Alltag reichte dann sicherlich meist der Rufname. Je nachdem wie häufig es Namens-Doppelgänger in der nahen Umgebung gab.

Ansonsten spielt vielleicht auch die Aussprache-Harmonie eine Rolle, warum der Johann so häufig vorne zu finden ist.
Wie würdest du selbst entscheiden?
Johann Georg oder Georg Johann
Hans Joachim oder Joachim Hans
Johann Heinrich oder Heinrich Johann
Hans Heinrich oder Heinrich Hans
Aus heutiger Sicht würden vermutlich viele eher die seltenere Version wählen, aber bedenke die Zeit und eventuell auch Vorgaben vom Pastor.
Weitere Beispiele kannst du dir ja selbst erschließen.
 
Ich kenne genau dieses Muster vor allen Dingen von meinen reformierten Familien aus Lippe, Mittelpolen und der Pfalz. Ich denke, es kommt von Johannes Calvin und ich meine, da war noch ein Reformator mit diesem Vornamen. Vielleicht haben auch manchmal Familien, die nicht ihrer Wunschkonfession angehören durften (es gab ja nur in wenigen Regionen Religionsfreiheit), durch ihre Namenpolitik gezeigt, welcher Konfession sie sich nahe fühlten.
 
Johannes

ggfls. sollte man auch Folgendes nicht ausser acht lassen….

Herkunft und Bedeutung

„….Der latinisierte Name Johannes geht auf Ἰωάννης Iōánnēs, die griechische Form des hebräischen Namens יֹוחָנָן jôḥānān bzw. יְהוֹחָנָן jəhôḥānān, zurück. Der Name setzt sich aus der Kurzform des jüdisch-christlichen Gottesnamens יהוה jhwh und dem Verb חנן ḥnn „gnädig sein, sich erbarmen“ zusammen und bedeutet „JHWH (der HERR) ist gnädig“.….“

Quelle:

Johannes ist der meist gewählte Name der Päpste,
Luther nannte seinen erstgeborenen Sohn, Johannes
usw. usw.

….also konfessionsunabhängige häufige Verwendung, und zwar bereits lange vor dem o.a. Zeitraum (auch als „vorangestellter“ Name), und auch außerhalb der genannten Regionen.
 
Ich habe Familien, da heißen alle Söhne Johan XY, aber keiner wurde tatsächlich Johann gerufen. Das ist dann nicht einfach eine zufällige, häufige Verwendung des Namens, auch kein sinnvolles Unterscheidungsmerkmal (weil die Nachbarn es ja ebenso machten!), sondern ein Muster der Namengebung, das einen bestimmten Sinn hat.
 
Es gibt aber auch die andere Version. Im Taufnamen wird kein Johann oder Johannes genannt, aber später wird vom Pfarrer einfach ein Johann davor gesetzt.
 
Ich bin auch im Mansfeldischen unterwegs und kann das bestätigen. Ganz oft "Johann" als erster Vorname, der im seltensten Fall der Rufname war. (denn in späteren Heirats- oder Sterbeeinträgen oder auch bei Patennennungen taucht das "Johann" oft nicht mehr auf.)

Vor 1700 hab ich manchmal einen "Hans", was darauf deutet, dass "Johann" tatsächlich geführt wurde.

(Bei "Johann Wolfgang Goethe" und "Johann Sebastian Bach" wurde von Zeitgenossen das "Johann" auch nicht benutzt.)
 
In meinen Ahnenlinien gibt es unzählige Johann, die abwechselnd "Hans" oder "Johann" genannt wurden.Hans ist m.E. die Kurzform von Johann bzw Johannes.
Mein Vater war ein geborener Johann Nepomuk, aber er nannte sich Hans. Nur bei offiziellen Unterschriften schrieb er wieder Johann Nepomuk.
 
Man kann sich selbst Johann Nepomuk nennen und schreiben, es hat aber ein bedingten Einfluß wie man von anderen(Pastoren, Hebammen) wiederum genannt oder aufgeschrieben wurde. Meistens hängt es von der Tagesform ab, wie der Pastor die Angaben des Vaters, Hebamme oder Boten interpretiert. Nutzt er einen Taufschein, das KB oder schreibt er von einem unleserlichen Notizzettel ab. Dementsprechend lassen sich auch viele Versionen eines Namens finden. Wie sich jemand selbst gern nennen ließ, wird man in KB sicherlich nicht so leicht aufdecken können.
 
Die versenen Schreibweisen der Vornamen (Ausnahme mein Vater) bezog sich auf Einträge in Kirchenbüchern.
Der gleiche Schreiber wechselte mehrfach zwischen Hans und Johann. Das hat auch nichts mit dem "Boten" zu tun. in den Dörfern wusste der Pfarrer sehr genau mit wem und um wen es ging. Der Pfarrer achtete sehr genau wann und wie oft eines seiner Gemeindemitglieder im Gottesdienst erschien. Damals achtete man sehr darauf, wer ein sogenannter guter oder schlechter Kirchgänger war.
Die Anzahl der Gemeindemitglieder war übersehbar. Oft hatten kleine Dörfer 2 Kirchen und 2 Pfarrer, Beispiel Schönstedt bei Langensalza.
Oberkirche und Unterkirche. Und es wurde darauf geachtet, wer zur Unter oder Oberkirche gehörte.
 
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