Stuprata

Über die Bezeichnung bin ich bei einem Eheeintrag gestolpert - besonders über die Übersetzung: geschändet, vergewaltigt.

Wie genau ist das zu sehen? Hier im Forum gibt es Beiträge, nach dem das Wort auch die meinen kann, die vorehelichen Verkehr hatte. Diese Abwertung scheint aber mal wieder nur die Frau zu betreffen.
Da uneheliche Kinder ja keine Seltenheit waren, müsste da der Begriff nicht öfter fallen? Was genau kann damit gemeint sein? Doch eine Vergewaltigung? Und ist der Bräutigam dann etwa der Täter?
 
Guten Morgen,

zum Einstieg in diese Frage von mir etwas Grundsätzliches:

stuprare = Latein = schänden

Daraus leiten sich in der Deklination sowohl eine stuprata = die Geschändete ab, wie auch ein stupratus = der Geschändete, aber auch ein Schänder (stuprator) ab.

Zur deutschen Bedeutung von schänden siehe z.B. hier: https://www.dwds.de/wb/schänden

Klar zu unterscheiden ist die stuprata - der gegen ihren erklärten Willen missbrauchten/geschändeten Person jedoch z.B. von der deflorata - der entjungferten, verführten Person.

Wenn man also in einem Eintrag ausdrücklich stuprata (oder Variation) findet, der Pfarrer sattelfest im Lateinischen war, dann kann man m.E. gesichert unterstellen, daß es zumindest Hinweise auf angewandte Gewalt gab.

(Wie zutreffend diese Hinweise defacto gewesen sind, kann dennoch nicht beurteilt werden.)

BG
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist erst das zweite Mal, dass ich überhaupt über eine solche Anmerkung stolpere. Und ich fürchte, dass der Begriff dann ganz bewusst gewählt wurde.
Über die gesellschaftliche Situation der betroffenen Frau denke ich dann lieber nicht weiter nach.
 
Und ist der Bräutigam dann etwa der Täter?

Das kann durchaus sein.
So gab es z.B. bereits im 18. Jahrhundert im damaligen deutschen Recht durchaus die Rechtsauffassung, daß eine "Stuprata" dann jeglichen Entschädigungsanspruch gegen den "Stuprator" verloren hat, wenn sie es abgelehnt hat, dem Antrag des "Stuprators" sie zu ehelichen zuzustimmen.
 
Das ist gruselig.
Ich bin in dem Alter, in dem ich mich noch gut erinnere, dass Vergewaltigung in der Ehe kein Thema war. Das wird wohl die gleiche Rechtsauffassung gewesen sein wie damals.

Und wir rümpfen heute die Nase über die Kulturen, wo leider ähnliches noch üblich ist. Dabei sind bei uns manche von diesem Denken immer noch nicht weit weg.

Ich hoffe nur, der Lebensweg meiner betroffenen Verwandten ist danach besser verlaufen.
 
Es gibt aus dem Jahr 1986 ein kleines Verzeichnis von lateinische Ausdrücken für die Kirchenbuchbenutzung vom Sup. i.R. Max Kegler, herausgegeben vom damaligen Konsistorium in Magdeburg. Das Heft kann ich nur empfehlen, denn es geht nicht immer um die exakte Übersetzung aus dem Lateinischen. Sondern es ist in den Kirchenbüchern oft ein Floskellatein.
Bei einem Heiratseintrag heisst stuprata einfach "vor der Ehe geschwängert" Ich kann gern dazu einen Eintrag aus dem Kirchenbuch Veckenstedt dazu verlinken. Das o.g. Heft habe ich vorliegen.
 
Es gibt aus dem Jahr 1986 ein kleines Verzeichnis von lateinische Ausdrücken für die Kirchenbuchbenutzung vom Sup. i.R. Max Kegler, herausgegeben vom damaligen Konsistorium in Magdeburg.

Ratgeber für die Kirchenbuchbenutzung bei genealogischen Forschungen /
bearb. von Max Kegler ; hrsg. vom Evang. Konsistorium d. Kirchenprovinz Sachsen.
-.Magdeburg: Evang. Konsistorium Sachsen, 1986. - 39 S. ; Taf.
 
Hmm, mein Gefühl sagt mir, dass hier im (kompletten) Forum bereits etliche externe Links und wohl auch PDF geteilt wurden.
Ich fände es nett, wenn man diese auf einer Unterabteilung des Forums sammeln könnte, zum Stöbern gewissermaßen.
Ansonsten fällt dieses PDF hier in meine Kategorie "Zufallsfunde". Leider habe ich nicht die Zeit alle Forenbeiträge zu lesen.
Jeder der einen nützlichen Link oder ein PDF / Dokument findet (also bereits hier auf Archion) könnte es "melden" und die freundliche Archion Belegschaft bereitet es auf ;-)

Schönen letzten Sonntag in diesem Kirchenjahr (Ewigkeitssonntag) (siehe Stilkunst)

Oliver
 
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