Seltsame Trauung

Liebe Helfer,

es geht um diese Trauung: https://www.archion.de/p/f64711aa82/

Am 4.4.1609 wurden Martin Öd und Barbara Winter in Wendelstein getraut.

Aber dieser Eintrag hat es in sich: Er geht über zwei Seiten. Irgendwas Außergewöhnliches ist da passiert. Leider stolpere ich an so vielen Stellen über die Schrift, dass ich den Sinn des Ganzen nicht erfassen kann.
Über jede Hilfe würde ich mich sehr freuen.
 
Mir würde erst einmal eine Übersetzung eines Teils reichen:
Ab Zeile 3 lese ich
"aber der Gestalt, nachdem die reden ein Schwang? gangen, ? Anfetzung? seiner Mutter ?? flüchtigen Fuß??? vertrauten Freundschaft?????sonderlich weit die Vermutung (Zeile 7)"

Wenn dieser Teil klar wäre, wüsste ich schon mehr, worum es überhaupt geht. Es ist anscheind was schief gelaufen bei der Hochzeit.
 
Guten Morgen.

Worüber hier berichtet wird, ist die Vorgeschichte zur Hochzeit.
Soweit ich es bislang gelesen habe, ist bei der Hochzeit selber "nichts schiefgegangen", denn dieselbe wurde vorgenommen, wie gleich der erste Satz sagt.

Den Ausdruck "aber der Gestalt" würde man heute in etwa ausdrücken mit: .... aber zur Vorgeschichte / aber zum Hintergrund....

Ein Anfang, als Hilfe zur Selbsthilfe........
(Achten Sie bei Ihrer weiteren Transliteration auch bitte unbedingt darauf, die Zeilenumbrüche beizubehalten, da man sonst noch leichter den Überblick verliert.)


den 4 Aprilis Ist Ehlich eingeleibt worden, Martin Ördt ein
Klingenschmidtgesell, Hansen Ördens Sohn alhier, mit Barbara
Mattes Winters thochter alhier, aber der gestalt, nachdem die reden
in Schwang gangen, daz er aus Ansetzung seiner Mutter würdt
flüchtigen fuß setzen, haben seiner dazumal vertrauten freund-
schaft begehrt, man sole ihn wo man ihn antreffen würde, ge-
fanglichen einzihen, sonderlich weil die vermutung gewest, ____
__ öhr ______ werden, wie sein vatter und _______ gethan,
da er nun in seiner Mutter Hauß gewest, hat ihn der M____
Richter, nach dem er doll und __oll gewest, mit seiner......................



Zur Auflösung von Worten / Ausdrücken / "der Sprache des frühen 17. Jahrhunderts" empfehle ich zudem, auf das hier im Forum bereits vielfach zitierte Wörterbuchnetz zurückzugreifen.


Das beginnt z.B. sofort mit dem Wort "einleiben" / "ehelich eingeleibt worden" = ehelich vereinigt / verbunden worden.

BG, Vera
 
Guten Morgen, die Hochzeit hat statt gefunden und ist wohl auch volzogen waorden. Er konnte nicht stehen und wurde in die Kirche und auch raus getragen. 1610 ein Sohn getauft, RAiner
 
Hallo, ob es gebraucht wird? Er heiratet noch einmal, hat lange gelebt, 10 Kinder gezeugt?, 1630 noch eine Tochter getauft, Gruß Rainer
 
@jacky321

Die Transliteration von Texten wie diesem ist nur die eine Seite der Medaille, es geht immer auch darum, ihn inhaltlich zu erfassen und in heutige Sprache sinngemäß zu übertragen.

Was ich damit meine, dazu soll der folgende Auszug helfen.
Wie „übersetzen“ Sie die folgende Passage?

…nachdem die reden
in Schwang gangen, daz er aus Ansetzung seiner Mutter würdt
flüchtigen fuß setzen, haben seiner dazumal vertrauten freund-
schaft begehrt,…


Gruss, Vera
 
(…nachdem die reden in Schwang gangen) nachdem das Gerede angefangen hatte ( daz er aus Ansetzung seiner Mutter würdt flüchtigen fuß setzen ) dass er ( wegen) der Betreuung seiner Mutter würde fliehen wollen …..

Sinngemäß….🫢 Ich bin gespannt!
…..
 
sonderlich weil die vermutung gewest, er
möchte _inloß
(?) werden

nach dem er doll und voll gewest


es kam wohl im weiteren Verlauf zu bewaffneten Handgreiflichkeiten unter Alkoholeinfluß
 
Moin, , ich krieg es leider gerade nicht in die richtige Reihenfolge. Verstehe den weiteren Inhalt aber so, dass ein anderer seine Braut begehrte ( oder: er eines anderen Braut begehrt hatte und deshalb…?). Soll ja vorkommen, so etwas….😄

doll und voll gewest verstehe ich als randalierend unter Alkoholeinfluss
 
Vielen Dank für die Hilfe soweit :)

Also scheint es die Vorgeschichte zu sein, und nicht etwa eine Krise am Tag der Hochzeit.
"nachdem die Reden ein Schwang gangen" bezieht sich dann vielleicht auf die Verlobungszeit.

Der Knackpunkt, um das weitere zu verstehen, ist wohl wirklich dieser Satz:
"sonderlich weil die Vermutung gewest er möchte ____ werden, wie sein Vatter und ____ gethan"

Der Mann ist also irgendwie ausgerissen (auf Anhetzung seiner Mutter?), er sollte aber wieder geschnappt werden, weil er angeblich ____ werden wollte.
Und ja, beim weiteren Überfliegen vermute ich auch dass Alkohol im Spiel war. Es gab wohl auch Handgreiflichkeiten:

"da er nun in seiner Mutter hauß gewest, hat ihn der Ma__
Richter, nach dem er toll und voll gewest, mit seinen Sch__
ANGETAST"
 
Ich verstehe es so, dass der Vater des Bräütigams sich auch davon gemacht hat inkl. Alkohol und „ doll und voll“, weshalb der Sohn für die Mutter zu sorgen hatte……- nun fürchtete man, der Sohn könne sich so verhalten wie der Vater. Aber er war ja im Haus der Mutter gewesen weshalb der Richter Milde…..

Sehr spannend. Die Geschichte! Und wie sie zu lesen und zu verstehen ist!
 
nur als kleine Anmerkung: Ich habe Zweifel, dass im Text des Heiratseintrags tatsächlich "eingeleibt" steht. Ein "b" kann ich nicht erkennen, allerdings die Buchstabenfolge auch nicht wirklich auflösen - heißt es vielleicht "eingeleidt", allerdings ist ein"d" tatsächlich auch nicht zu erkennen? Wenn man die Struktur der Heiratseinträge vergleicht, neige ich eher dazu, dass "eingeläutet" gemeint sein könnte (s. z.B. hier im Vorgängerbuch, wo das besser zu lesen ist: https://www.archion.de/p/d4ba9a3b3e/).
 
Ich lese auch eher „ eingeläutet“. und kann mir dabei vorstellen, dass dieses ebenso den Beginn der Ehe anzeigt.


Wobei ich die vorangegangenen Ereignisse bzw.. deren exakte Übersetzung/ Bedeutung immer noch am Interessantesten finde.

Gruß Henriette
 
Hab versucht, einen Link aus dwds.de anzubringen. Aber dann kann ich es nicht versenden. 🧐


Hinweis Moderation: Wenn externe Links als solche erkannt werden, funktioniert der Versand einwandfrei.
Je nach dem von welcher Art Endgerät gearbeitet wird bzw. mit welcher Application gearbeitet wird, kann es sein, daß URL Formatierungen (manuell) eingefügt werden müssen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
@jkorn
Vielen Dank für Ihren vollkommen berechtigten und selbstverständlich richtigen Hinweis.

Die erste Zeile des besagten Eintrages lautet also

den 4 Aprilis Ist Ehlich eingeleitet worden, Martin Ördt ein

["eingeleitet" hier als Ableitung von: eingeläuten // nicht vom heutigen: einleiten = beginnen]

Wobei man die Buchstabenfolge "te" auch unmittelbar in der folgenden Zeile im Familiennamen des Brautvaters "Richters" wiederfindet.

Ein "d" findet sich -so wie Sie ja bereits sagen- im vorstehenden Wort nicht.

Danke nochmals.

BG, Vera
 
Könnte sein dass es heißt:

"sonderlich weil die Vermutung gewest er möchte TRIELOS werden, wie sein Vatter und A___? gethan"

Vielleicht ein starker Dialekt für "treulos". Das würde wieder passen zur Vermutung von HenrietteHermann, dass er vielleicht eine andere begehrte.
Später wird erklärt dass die Frau (sicher diese Braut Barbara Winter) schon schwanger war, und dass der Mann krank (weil verprügelt?) auf einer Bank zum Altar getragen wurde. Und am Ende steht irgendwas darüber, dass der Pfarrer und andere am nächsten Tag seine Krankheit inspiziert haben, und irgendwer hatte "solchen Hochmuth, der mit Worten nicht auszusprechen ist".

Man tastet sich langsam voran, Details fehlen noch :unsure:
Hat ein Dorf-Richter damals die Befugnis gehabt, einen der Untreue Bezichtigten so zu verprügeln dass er dreimal für tot erklärt wurde? Oder war das eher einer mit Nachnamen Richter...
Und mit dem war sein Vatter dann untreu? Das Wort beginnt mit A...
 
Treulos hat was. Ich würde es ( dann) so verstehen, dass er treulos gegenüber der Mutter wurde. Ob er eine andere begehrte oder jemand seine Braut begehrte: ich bin noch unentschieden.

Aber wenn hier alle weiter helfen knacken wir die verbliebenen Rätsel noch !
 
@jacky321

Der Begriff Ansetzung geht mir nicht recht aus dem Kopf. Das oben von Vera empfohlene Wörterbuch nennt als eine mögliche Bedeutung „ Anberaumung“. Das gäbe einen völlig anderen Sachverhalt.

Woher wissen Sie, dass die Braut schon schwanger gewesen war ?
 
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