Militärwesen im 18. Jahrhundert

Einige meiner toten Punkte zwischen 1700 und 1800 führe ich auf Soldaten zurück. Und Stelle fest, dass ich keine Ahnung habe, wie das Militär organisiert bzw. in der Bevölkerung verankert war.

Mein Beispiel: Minden (ja, die Stadt mit der Schlacht: 7jähriger Krieg 1756 bis 1763, Schlacht bei Minden 1759).
In den KB um 1750 tauchen immer wieder Einträge von Heiraten von Soldaten auf. Die Bräute sind sehr oft nicht aus Minden, allerdings steht bei ihnen wenigstens oft ein Herkunftsort dabei. Manche Soldaten tragen auch "heimische" Familiennamen, werden also wohl aus den umliegenden Dörfern stammen.
Aber die anderen? Regimentskirchenbuch gab's wohl nicht nicht, ob es Musterrollen aus der Zeit gibt und was sie enthalten, weiß ich nicht. Was an Dokumenten überhaupt erhalten ist, eh nicht.

Wie sah das damals aus? Waren Soldaten kaserniert? Einquartiert? Zog die Familie mit? Wann durfte geheiratet werden? Wo wohnte die Familie? Oder hieß Heirat gleichzeitig, abgedankt zu werden und sich vor Ort als Tagelöhner was zu suchen? Wer von einem Hof kam, ging ja auf den zurück. Das lässt sich leicht in den Kirchenbüchern verfolgen.
Aber was ist mit dem Soldaten ohne Herkunftsangabe? Mit fremden Namen? War er vielleicht dort "stationiert", wo seine Braut herkam? War er vielleicht aus dem gleichen Ort? Oder, wenn Geburten, verzeichnet worden sind, hat er an einem anderen Standort geheiratet und das Kirchenbuch dort könnte weiterhelfen?

Lässt sich die "Stationierung" irgendwie und -wo nachverfolgen? Gibt es z. B. Onlineseiten, die preußische Garnisonsstädte auflisten? Gibt es Seiten, die genau die "Truppenbewegungen" angeben: Regiment XY war von/bis in Z und wurde dann nach A verlegt?

Und wo verdammtnocheins sind die ganzen Toten der Schlacht bei Minden aufgelistet und wo beerdigt worden? Massengrab? Untergepflügt? Was war denn üblich zu der Zeit?
Irgendwie haben diese kriegerischen Ereignisse um Minden herum - ein ganzes Dorf soll abgebrannt sein und die Linien machten eh keinen Bogen um Höfe und Dörfer, die Truppenaufstellung der Schlacht bei Minden lässt sich schön im Netz finden - nur sehr wenig Spuren in den Kirchenbüchern dort hinterlassen. Dabei muss es doch auch in der Zivilbevölkerung jede Menge Tote gegeben haben - und später uneheliche Kinder, ob nun freiwillig oder unfreiwillig gezeugt. Aber darüber wurde vielleicht kaum gesprochen - damals galt ja eh noch "Pater semper incertus erst".

Wer hat Erfahrungen mit solchen Suchen?
 
Mir geht übrigens gerade die Bedeutung von "im Feld geblieben" so richtig auf:
Nach geschlagener Schlacht rückt das Bataillon wieder in die Kaserne ein. "Soldat Meier", blafft der Offizier den einsam da stehenden Soldaten an "wo sind die anderen deiner Einheit?" "Im Feld geblieben!" Sprich: irgendwo auf dem Acker zwischen Minden und Hahlen, als letztes kullerte noch ein Beinchen rum. Aber wem es nun wirklich gehörte, ist ungewiss und ohne Hundemarke noch ungewisser. (/ironieoff)

Von den damaligen Toten dürfte allerdings nichts mehr vorhanden sein. Ich kann mich jedenfalls an keine Berichte erinnern, dass beim Pflügen oder Hausbau Knochen aufgetaucht wären, auch kein Metall.
 
Erste kleine Antwort mit dezidierter Orts- und Ereignis-Kenntnis ….

„Mindener“ waren an der Schlacht bei Minden überhaupt nicht beteiligt.

Die dienstpflichtigen Soldaten aus dem damaligen Fürstentum Minden standen zeitgleich im Kampf gegen russische Truppen beim preußischen Regiment Nr. 41.

Von ihnen wurden am 12. August 1759 in Kunersdorf bei Frankfurt an der Oder fast 500 Soldaten getötet. Wohl auch deshalb spielte die Schlacht kaum eine Rolle als „Mindener“ Ereignis.

BG, Vera
 
Erlauben Sie bitte eine Gegenfrage: anhand welcher historisch, im Detail recherchierter Quellen haben Sie sich bislang über Details der "Schlacht bei Minden" informiert?

Allein im entsprechenden Wikipedia Artikel werden bereits etliche genannt


Kennen Sie z.B. die entsprechenden Veröffentlichungen zum Thema u.a. des Mindener Geschichtsvereins in den "Mindener Heimatblätter"


BG, Vera
 
Mir geht es ja auch vorrangig nicht um die Soldaten AUS Minden, sondern um die IN Minden bzw. um die in Minden (oder einer anderen Stadt, Minden ist ja nur mein aktuelles Beispiel) auftauchenden abgedankten Soldaten und deren mögliche Herkunft.

Wenn allerdings Frauen und Kinder mit den Soldaten mitzogen, kann auch der Aufenthaltsort von Soldaten AUS Minden (oder s. o.) wieder interessant sein, um dort nach Einträgen zu suchen.
Grundsätzlich geht es mir um ein generelles Verständnis darum, in welchen Kirchenbüchern ich noch schauen könnte.
 
Frau Nagel, Sie dürfen gerne davon ausgehen, dass mir Google und Wikipedia und auch der Mindener Geschichtsverein geläufig sind.
Es gibt einige schöne Übersichtskarten und Berichte über die Schlacht, die mich allerdings militärisch absolut nicht interessiert. Mich interessieren die möglichen Auswirkungen auf die Familienforschung und zwar, wie bereits mehrfach erläutert, generell und mit Minden und den 7jährigen Krieg speziell nur als Beispiel. Es gab genügend andere militärische Auseinandersetzungen, die mögliche Vorfahren auch quer durch das heutige Deutschland bewegt und dadurch sicher für viele tote Punkte gesorgt haben.
 
Hallo Frau Klemme,
vielen Dank für Ihre Antworten (schöne Basis), das klärt -zumindest für mich / man möge mir es mir nachsehen- ein paar offene Punkte, die mir aus Ihrer Eingangsemail offensichtlich nicht klar waren.

- Nein, die Heirat eines Soldaten war kein Grund für eine quasi "zwangsweise" Abdankung.
- Wo man Musterungslisten und/oder militärische Stammrollen finden kann -sofern solche denn erhalten sind- hängt von den jeweiligen militärischen Einheiten und ihrer obrigkeitlichen Zugehörigkeit ab. "Einen zentralen Ort" gibt es nicht.
- Gleiches gilt für Militärkirchenbücher.
- Ja, Soldaten waren zu einem gewissen kleinen Teil in Kasernen untergebracht - zu einem weitaus größeren weiteren Teil jedoch über Einquartierungen bei Einwohnern von Orten, an denen Quartier genommen wurde.

BG
 
.... , dass ich keine Ahnung habe, wie das Militär organisiert bzw. in der Bevölkerung verankert war.

...als ein Beispiel anzusehen


...ebenfalls lesenswert


...oder

 
Falls noch nicht bekannt:

Friedrich Vormbaum (1795-1875)
Die Schlacht bei Minden und das Gefecht bei Gohfeld am 1. August 1759.

Als PDF von dieser Seite herunterladbar

Auf der Seite 39 des Heftes bzw. Seite 46 des PDF berichtet Vornbaum über das Begraben der Gefallenen an den Tagen nach der Schlacht durch die Bauern der umliegenden Ortschaften, die von der Obrigkeit dazu angewiesen wurden.

Neuzeitliche Grabungsergebnisse -aus mehreren durchgeführten Grabungen- von Gefechtsfeldarchäologen z.B. aus der Gegend des Wallfahrtsteich/Todtenhausen sowie bei Gohfeld liegen vor.
 
Danke für diese Quellen. Leider lassen diese vermuten, dass es zu der Zeit schwer bis unmöglich sein dürfte, dem Weg eines (einfachen) Soldaten zu folgen.
Anderswo habe ich auch inzwischen gelesen, dass die besiegten sächsischen Soldaten in das preußische Heer gepresst wurden - aber im Frühling desertierten. Gemerkt habe ich mir nur die Schlussfolgerung - siehe oben.
Alles in allem versetzte Krieg wohl manch einen ganz woanders hin. Mir sind auch in Kirchenbüchern auch schon Einträge aufgefallen, nach denen ein Deserteur geheiratet und sich niedergelassen hat. Alles waren wahrscheinlich kluge Entscheidungen.

Schön, dass beerdigt wurde. Tausende. Auch gibt es zur Schlacht bei Minden einen drastischen Bericht mit abgehauen Armen und Beinen - das wird auch generell so gewesen sein. Was und wer wurde also begraben? Auch dürfte eine Kanonenkugel nicht immer Erkennbares übrig gelassen haben. Und das "Fußvolk" war entbehrbar - dass zeigt mir die Geschichte des Dichters von Kleist, der vom "Feld der Ehre" vom Gegner eingesammelt und in ein Lazarett gebracht wurde. Gestorben ist er trotzdem - als "Held" versteht sich. Er hat auch ein schönes Grab bekommen. Und Denkmäler.
Und dazu passt auch die Geschichte von Vormbaum von dem ins Lazarett gebrachten (wohl adeligen) französischen Gefangenen in seinem Buch über die Schlacht - angeblich ja "eine schlichte Darstellung", aber ziemlich triefend von Heldentum, nicht vom Blut. Na ja, für eine realistische Darstellung war es 1859 einfach noch zu früh.
Die anderen? Ein fürchterlicher Tod auf einem blutigem Schlachtfeld voller unzuordbarer Körperteile und eine armselige Beerdigung sind wohl nicht umsonst zum "Heldentod" (zerfetzt werden, elendig verbluten oder dann doch im Lazarett sterben) für's "Vaterland" (welches denn, wenn man ins fremde Heer gepresst wurde oder weiter weg angeworben?) auf dem "Feld der Ehre" (blutig und voller Körperteile) hochstilisiert worden - wirkt ja heute noch.
Die Briten feiern wohl immer noch den Minden Day und Reenactment Gruppen spielen Schlachten nach. Inwieweit die grausame Realität da bewusst ist, weiß ich nicht.

Die meisten einfachen Soldaten, die nicht wieder in der Kaserne oder im Feldlager auftauchten, werden wohl dieses oben beschriebene Schicksal gehabt haben. Da wurde wahrscheinlich nur durchgezählt. Ob es immer Nachricht an die Familie gab, halte ich für fraglich. Ich habe allerdings schon Kirchenbucheinträge gelesen, wo eine Gedächtnispredigt gehalten wurde. Aber bei den vielen Toten von Kunersdorf müsste das öfter auftauchen. Wobei zu der Zeit in Minden St. Martini und St. Marien nur die Beerdigungen in Minden eingetragen wurden. Von den Dörfern nur Geburten und Heiraten. Das wird möglicherweise auch anderswo ähnlich gewesen sein. Hinweise könnten dann allenfalls gehäufte Heiratseinträge von Witwen geben. Auch sowas ist mir schon mal aufgefallen.

Trotzdem hoffe ich noch auf Hinweise, wann denn welches Regiment in welcher Gegend stationiert war und was mit den Familien war. Ich hoffe vor allem, es gab nicht nur Dankesgeschwafel (siehe Vormbaum) seitens der Obrigkeit, sondern auch eine Versorgung. Ich bin allerdings skeptisch.
 
Im Zeitungsportal
konnte ich um 1820 eine Suchanzeige nach einem Vorfahren finden.
Die Geschwister hatten in einer Erbschaftsangelegenheit nach ihrem verschollenen Bruder gesucht.
Bzw. wurde die zweimalige Anzeige scheinbar vom Erbschaftsgericht gefordert.
Der Anzeige konnte ich entnehmen, dass er auf dem Marsch verwundet oder erkrankt in einem Dorf zurückgelassen wurde.
Die vermissten Personen mussten also nicht zwangsläufig gefallen sein.
Ob derartige Zeitungsanzeigen schon um 1760 geschaltet wurden? Von einfachen Leuten wohl eher nicht.
Ob sich der Nebel des Krieges nach 250 Jahren lüften lässt?

Habe z.B. 1805 auch einen französischen Soldaten als Vorfahren, aber wo soll man da in Frankreich suchen?
 
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