Herleitung von deutschen Familiennamen

Im Forum "Allgemeines" gibt es einen Hinweis auf einen sehr interessanten Artikel aus einer Sonntagszeitung von 1911 , der sich mit der Bildung von Familiennamen befasst. Ich habe mich aufgrund der unscharfen Bildauflösung sehr schwer getan, den Artikel zu lesen. Daher habe ich ihn kurzerhand für mich und weitere Neugierige abgetippt. Hier also die Abschrift.
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Quelle: Sonntagsfeuilleton der Rhein- und Ruhr-Zeitung, Nr. 206, vom 23. April 1911 https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/5825234, Transkription

Deutsche Familiennamen​

Als sich vor ungefähr 450 Jahren in Deutschland die Familiennamen für Angehörige nichtadeliger Familien zu bilden anfingen, verführ man entweder so, daß die Betreffenden die Namen von Städten oder Dörfern annahmen, woher die Namen auf -berg, -stadt, -dorf usw. zu erklären sind, und unter welchen sich der Name manches in der Wirklichkeit längst untergegangenen Dorfes erhalten hat; -- oder die Familienangehörigen wurden nach dem Amte und der Beschäftigung des Familienhauptes genannt, weshalb Namen wie folgende häufig zu finden sind: Bäcker, Jäger, Förster, Krüger (d.h. Wirt), Köhler, Lehmann (d.i. Lehnmann), Richter, Reuter, Voigt (d.i. Aufseher von vocatus), Ziegler, Pfeifer (soviel wie jetzt Musikus), Schmidt, Müller (Windmüller, Bruchmüller, Teichmüller), Wagner (Stellmacher, Böttcher usw. oder, und das war vielleicht am häufigsten: die männlichen Vornamen wurden Familiennamen. Oft wurde der Vorname ohne alle Veränderung zum Familiennamen, wie: Otto, Franz, Karl, Ludwig, Heinrich, Paul, Jakob, Friedrich, Günther, Dietrich, Lorenz usw., oder die Genitivform des Vornamens wurde zum Familiennamen. Es ist dann das Wort „sohn“ dabei zu ergänzen; heißt jemand z. B. Wilhelm Diedrichs, so ist damit gemeint: Wilhelm Dietrich Sohn. Die Genitivform aus „s“ oder „sen“ deutet bei der Bildung von Familiennamen regelmäßig auf ein fortgelassenes „Sohn“. Oder die Vornamen wurden latinisiert, und da sie dann meistens auf „us“ gingen, so wurde die Genitivform auf „i“ zum Vaternamen. Solche Namen sind: Pauli, Wilhelmi, Bartholdi, Martini und andere mehr. Endlich aber, und das geschah am häufigsten, wurden die Vornamen, entweder wie sie durch rasches Sprechen verstümmelt wurden, oder mit einer Diminutivendung zum Familiennamen. So wurde aus Alexander: Zander; aus Philipp: Lipp; aus Friedrich: Friede oder Fritze; aus Gottfried: Götz oder Götze; aus Konrad: Kunze; aus Heinrich: Hinze oder Heinze; aus Sebastian: Bastian; aus Nikolaus: Klaus usw. Die gewöhnliche Diminutivendung an Vornamen in Norddeutschland ist hochdeutsch „chen“, plattdeutsch „ke“. Daher kommt es, daß in Norddeutschland eine große Menge von Familiennamen auf „ke“ endigen und man kann in den meisten Fällen annehmen, daß solche Namen von Vornamen gebildet sind. In Süddeutschland, ist die gewöhnliche Diminutivendung an Vornamen „lein“ oder „lin“ oder „el“ und deshalb endigen dort viele der am häufigsten vorkommenden Familienamen auf „lein“ oder „lin“ oder mit der Genitivendung „lins“ und „el“. Um bei den norddetuschen Namen u bleiben: von Friedrich wird Friede gebildet, davon das Diminutiv Friedeke und zusammengezogen Fricke“ oder die letzte Silbe im Namen Friedrich wird beibehalten und davon haben wir dann das Diminutiv Ricke als Familiennamen. Von Ludwig wird Lüdecke gebildet und zusammengezogen Lucke oder Lücke. Aus Gero wird Gericke, aus Kuno Künicke, aus Konrad, mit Beibehaltung der letzten Silbe, Radcke, aus Johann wird John oder Jahn gebildet. (Grobian ist soviel wie ein grober Jahn oder Johann.) Aus Jahn bildet man wieder Janele, Jännchen, Jäneke, Janke. Aus Andreas bildet man mit Beibehaltung der letzten Silbe Dräseke, aus Moritz bildet man Möreke, aus Deinhard und Denhard Deneke. Bei Wilhelm wird entweder die erste Silbe beibehalten und dann haben wir Wilke, oder es wird die letzte Silbe genommen und dann haben wir Helmke. Aus Heinrich bildet man Heineke, aus Reinhard Reineke, aus Werner entsteht Wernike, aus Meinhard Meineke usw.
 
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