Eigenwillige Wortgliederung

www.archion.de/p/70e9055307/ linke Seite

Liebes Forum,
diese Handschrift war für mich sehr schwer zu lesen, auch weil der Pfarrer einerseits Lücken innerhalb von Wörten lässt (Schreibunf ähig keit, priv atrechtlichen), andererseits Wörter zusammenschreibt (dessenfrau), gern auch mal kombiniert (hiesigerpf arrey, dembraut paare). Der Text konnte nur entziffert werden dank eines sehr ähnlich lautenden anderen Traueintrags, den ausnahmsweise der betont schön schreibende Dekan Daudt vorgenommen hat – Bild 315. Seinem Text entnommen ist dem Sinnzusammenhang nach das Wort „kanonischen“ – allerdings kann ich es hier nicht nachvollziehen. Heißt es doch anders? Hierfür und noch einige weitere Lücken bitte ich um Hilfe und freue mich auf Klärung.
Vielen Dank fürs Anschauen und Grüße, Ulrike

Im J. Chr. Achtzehnhundert drayßig sieben am dreÿ und zwan-
zigsten April wurden ohne vorherige [?]öfliche Copulati-
on und Proclamation, die unter den vorliegenden Umständen,
dem Gesetze nach, nicht erforderlich waren, nachdem sich das
Pfarramt vorher über das Nichtvorhandenseyn irgend ei-
nes bürgerlichen, privatrechtlichen und [kanonischen ??] hinder-
nißes, auch die Zustimmung der Eltern des bräutigams
sich ermüßigt (??) hatte, zum heil. Ehestand eingesegnet:

7.
Joh. Jacob Muth
x
Elisab. Cath. Beilstein

Johann Jacob Muth, Ortsbürger zu Lichtenberg, Filiale hiesi-
ger Pfarrey, des Ortsbürger Johann Philipp Muth zu Stein-
bach, Kreys Dieburg, und dessen frau Catharina Elisabetha
geborene Meixner, ehelich lediger Sohn; geboren im Jahr
achtzehnhundert sechs am sechsten Mai – mit
Elisabetha Catharina Beilstein, des Ortsbürgers Johann
Friedrich Beilstein zu Lichtenberg und deßen frau Maria Elisa-
betha geborene Bauer, ehelich ledige Tochter; geboren im
Jahr achtzehnhundert dreyzehn am neun und zwan-
zigsten September.

Vor der Trauung erklärte der Hochzeiter das Kind womit
seine braut bereits schwanger seye, für ein von ihm gezeug-
tes Kind.

Die Trauung geschah in Gegenwart des Vaters der Braut
und ihres Schwagers, des Ortsbürgers Peter Muth zu
Brensbach, die [??] dem brautpaare dieses Protocoll mit
mir, dem Pfarrer, unterschrieben haben.

Johann Jacob Muth
Elisabetha Katharina Beilstein
Handzeichen des +++ Johann Friedrich Beilstein, dessen
Schreibunfähigkeit jetzt erst später heraus stellte.
Peter Muth Testor Daudt
Jo. Chr. Daudt, Decan
 
zum Teil 1:

Im J. Chr. Achtzehnhundert dreyßig sieben am dreÿ und zwan-
zigsten April wurden ohne vorherige weinkäuflicher(*) Copulati-
on und Proclamation, die unter den vorliegenden Umständen,
dem Gesetze nach, nicht erforderlich waren, nachdem sich das
Pfarramt vorher über das Nichtvorhandenseyn irgend ei-
nes bürgerlichen, privatrechtlichen und canonischen hinder-
nisses, auch die Zustimmung der Eltern des Bräutigams
sich verlässigt(**) hatte, zum heil. Ehestand eingesegnet:

(*) https://www.koob-solms.de/lexikon/weinkaeufliche-copulation/
(**) https://www.duden.de/rechtschreibung/verlaessigen —> sich vergewissern

und unten:
Brensbach, die samt dem brautpaare ...
 
Das ist ja spannend - herzlichen Dank für die Klärung und die Verweise. Wieder etwas Interessantes gelernt über eine mir in dieser Form :) bisher noch nicht bekannte Praxis des "Weinkaufs".
Viele Grüße, Ulrike
 
Zurück
Oben