Begriffe in der weinkäuflichen Kopulation

Ich bitte schon wieder um Lesehilfe für einige Stellen im Kopulations-Eintrag Gladenbach 22
http://www.archion.de/p/c8139d30d7/

Ich habe bisher folgendes entziffert:
(Hauptsächlich, weil ich schon wußte, was drinsteht, da die beiden in der Gemeinde des Bräutigams noch einmal geheiratet haben,
hier der Link: http://www.archion.de/p/b47bf75386/)

Mich würden hier die Quittung in Zeile 4 und das versiegelte etwas in Zeile 5 interessieren, aber ich kann mir nach mehreren Anläufen keinen Reim darauf machen.

Weinkäuflich Kopulierte. (1804)

[…]
Gladenbach 22.

Den 28 Juny wurden der Korporal Peter Laux von
Willershausen, und und [wirklich 2 mal "und"?] Catharina Christoph Lehrs
ehelich zurück gelassene Tochter allhier, nach erlangter
Manumission d.d. ?Giesen? 6 Junii 1804 [???] Quittungs
auch versiegelte [?????????] an? Zeugnis von?
Hl Magister Schwaner zu Lohra, weinkäuflich
copuliret.

 
Stimmt doch fast alles! Kleine Korrekturen erleichtern allerdings vielleicht das Verständnis:

Manumission d.d. Giesen 6 Junii 1804 auch Quittung-
auch gesiegelten Ehepacten auch Zeugnis von
H. Magister Schwaner zu Lohra, weinkauflich
copuliret.

Der Schreiber verwendet hier das Wort "auch" zur Aufzählung von dem, was zur Heirat vorlag. Manumission bedeutet wörtlich Loslassung; Befreiung von Leibeigenschaft oder Dienstverhältnis ist gemeint und diese wurde wohl am 6.6.1804 in Gießen amtlich.
Ähnliches bedeutet das Wort Quittung, womit wohl in diesem Fall die Eheerlaubnis gemeint sein dürfte. Ein Ehevertrag wurde abgeschlossen und das Zeugnis des Herrn Magister (das "l" ist ein Abkürzungszeichen wie das "p" am Ende von Quittung ein Aufzählungszeichen etc.pp) dürfte sich auf den gesitteten Lebenswandel des Paares beziehen.
Zudem finde ich, dass ein "ü" im "weinkauflich" nichts zu suchen hat und ja auch nicht geschrieben wurde.
Gruß,
Rainer
 
Vielen Dank! Das war sehr hilfreich.

So eine Manumission hatte ich schon einmal, ich nehme an es geht darum daß die Braut aus Hessen-Darmstadt nach Hessen-Kassel ins "Ausland" heiratet und sich "freikaufen" muß, weil sie jetzt einem anderen Landesherrn Untertanen gebären und Abgaben leisten wird (wenn ich das jetzt nicht zu krass ausgedrückt habe).

Es hat mich trotzdem ein bißchen erstaunt, weil ihr Vater laut der anderen Trauurkunde ein "Handelsmann" gewesen war. Ich hatte wohl gedacht, das sei ein "freier" Beruf, der sich nicht loskaufen müsste wie ein "Höriger" Bauer. Falsch gedacht. Aber klar, ein "Steuerzahler" ging dem Land verloren.
 
Hallo mickimicki,

ein "Weinkauf" bezieht sich üblicherweise auf den Erwerb eines Hofes oder eines Grundstücks oder einer Immobilie, sei es durch Kauf oder durch Erbschaft. Dieses Wort deutet also an, dass das Paar mit der Begründung ihrer Ehe auch irgendetwas sehr Werthaltiges übernommen hat.

Da die Braut und nicht der Bräutigam die "hiesige" war, mag es der Grund und Boden und ihr elterliches Geschäft oder Geschäftshaus gewesen sein, wenn denn ihr Vater ein Handelsmann war. Ein Ehevertrag war erforderlich, um Abfindungen für etwaige Geschwister oder die Mutter oder auch einen Stiefvater etc. zu regeln. Nach dem Tod des Vaters mag auch ein Teil des Besitztums an Nachbarn verpfändet worden sein, um den Lebensunterhalt zu decken, denn andere Einnahmen gab es nicht und Hartz IV oder Waisenrente oder Sozialhilfe waren 1804 noch undenkbar.

Diese verpfändeten Besitztumsanteile löst der Bräutigam jetzt aus.
Der Korporal hat vermutlich auch sein Dienstverhältnis zu Gunsten dieser neuen Aufgabe gelöst, darauf dürfte sich die Manumission beziehen. Mit seiner Abfindung und etwaigen Ersparnissen wird er das alles finanziert haben. Mit dieser Copulation war also sehr viel für eine Reihe von Personen und die Gemeinde selbst (nicht nur die kirchliche) verbunden und es war auch Geld oder Vermögen (in bescheidenem Rahmen natürlich, aber mehr als beim Durchschnitt der Bevölkerung) vorhanden. Für Details müsste man die Urkunden kennen, die möglicherweise im Staatsarchiv liegen.


Gruß, Tonx
 
Danke Tonx für diese ausführliche Erklärung. Ansatzweise hatte ich mir schon gedacht daß der Ehevertrag eine wichtige Sache war.

Die Archiv-Schiene behalte ich auf jeden Fall im Hinterkopf.
In diesem Fall ist es schon so, daß die Braut bei dieser Weinkauflichen Trauung die Hiesige war, es gab aber ein paar Monate später noch eine hochzeitliche Trauung in der Gemeinde des Bräutigams im Hessel-Casselischen Nachbarland (bei Magister Schwaner), und dort haben die beiden dann auch ihr weiteres Leben verbracht. Also umso interessanter, worum es im Ehepact ging. Der Brautvater war schon seit etwa 10 Jahren tot, also hatte die Tochter wahrscheinlich ein Erbe erhalten, andererseits war aber auch 10 Jahre lang der Ernährer ausgefallen, also ist eine Verpfändung tatsächlich auch sehr plausibel.
 
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