Erbitte Lesehilfen

Hallo,

diese Begriffe haben alle einen "tieferen Sinn" und haben nicht die gleiche Bedeutung. Die hängt allerdings davon ab, wo in Deutschland der Begriff gerade benutzt wird, und auch, in welcher Zeitperiode das geschieht.

Ein Ackermann ist in den meisten Fällen jemand mit einem landwirtschaftlichen Hof, der ausreicht, ihn und seine Familie komplett zu versorgen. Dabei ist zu bedenken, dass "seine Familie" eine häufig schwangere Ehefrau, durchaus auch mal zwölf Kinder, die noch lebenden Eltern des Ackermanns, verschiedene unverheiratete Onkel und Tanten und diverse Knechte und Mägde umfasste. Natürlich mussten alle mithelfen. Steuern und Abgaben an den Grundherrn kommen hinzu, ebenso auch das Schulgeld für den Lehrer der Kinder des Dorfes sowie den Pastor und den Küster. Die Erzeugnisse des Hofes mussten natürlich außerdem ausreichen, um durch Verkauf und Tausch auch Schuhe, Bekleidung, Möbel und landwirtschaftliche Geräte erwerben zu können.

Ackermann ist ein relativ neuer Begriff, meist erst ab 1750 bis 1780 gebräuchlich, und betrifft also einen größeren Hof. Mit dem Begriff hängt übrigens das englische Wort "acre" zusammen, mit dem die Größe einer meist landwirtschaftlichen Fläche beziffert wird.

Näheres wird man in den üblichen Dorfchroniken der betreffenden Gegend finden können, etwa zur Frage, was angebaut worden ist und welche Bedeutung die Viehhaltung hatte.

Beste Grüße, Tonx

 
"gewöhnlich gebraucht er ackermann, wenn vom landmann die rede ist"

Dies ist ein Zitat aus Grimm`s Wörterbuch (das Zitat bezieht sich auf Martin Luther) und das Wort Ackermann als Eindeutschung von "agricola" ist buchstäblich uralt. Dass der Landwirt mit dem etwas abwertenden Begriff "Bauer" (jemand, der in einem einfachen Bau statt in einem Haus oder wie der Bürger in einer Burg) bezeichnet wird, ist hingegen neueren Datums.
Etwas Spezifisches ist mit dem Wort mit Sicherheit nicht gemeint, es bedeutet nur, dass er außer der Landwirtschaft kein weiteres Gewerbe betrieb.
Für die Behauptungen des letzten Posts vermisse ich in der Tat die Belege, für den Gebrauch des Wortes "Ackermann" als Synonym für Bauer im heutigen Wortgebrauch könnte ich weit vor 1750 unzählige Beispiele anführen. Ich halte es allerdings für möglich, dass das Wort in manchen Regionen nicht so üblich war, mitten in Deutschland (wie in Hessen) war es jedenfalls die gängige Bezeichnung seit frühester Zeit (siehe auch den "Ackermann von Böhmen", eines der ältesten Stücke deutscher Dichtung).
Gruß,
Rainer
 
Halo Freezard,

das trage ich gerne nach. Mit der Fragestellung, wann der Begriff Ackermann gebräuchlich wird, hat sich für den Raum um Berlin Peter Bahl näher beschäftigt, bekannt als Staatsarchivar im Geheimen Staatsarchiv preußischer Kulturbesitz in Berlin Dahlem und Lehrbeauftragter an der Uni Potsdam und in diversen weiteren Funktionen, die in dem Wikipedia-Artikel über ihn aufgelistet sind.

In dem Band 36 (2000) der Schriftenreihe der Stiftung Stoye untersucht er in der Einleitung die Geschichte der Begriffe in Zusammenhang mit Teltow. In Teltow ist der Begriff Ackermann zunächst ungebräuchlich. Er wird erstmals 1771 verwendet, zuvor 1767 auch einmal in der Variante "Ackerbürger". Der Begriff bleibt zunächst selten, die Verwendung nimmt dann aber über 1800 doch rasant zu.

Forscht man selbst in den umliegenden Dörfern wie etwa Zehlendorf, Steglitz, Britz, so findet man das ziemlich genau bestätigt. Auch weiter entfernt, etwa in der Prignitz, kann man dies etwa zum gleichen Zeitraum finden.

Frank-Jürgen Seider ist dem nachgegangen und hat zu jedem Haus und Hof in Teltow die Grundakten überprüft und festgestellt, dass die Ackerleute den zuvor für große Höfe verwendeten Begriff Hüfner komplett ersetzt haben, Schriftenreihe der Stiftung Stoye Band 49 (2008). Es sind die 23 größten Höfe, deren jeweilige Besitzer als Ackermann oder Ackerbürger bezeichnet werden, die weiteren landwirtschaftlichen Betriebe werden mit anderen Bezeichnungen versehen, so beispielsweise "Gärtner", was mit den heutigen Bezeichnungen bekanntlich nichts zu tun hat. Es gab daher sogar extra eine Gilde, die "Ackerkommune", mit der auch der gehobene soziale Status der großen Höfe unterstrichen wurde.

Im norddeutschen Raum zwischen Elbe und Weser gibt es den Begriff bis heute überhaupt nicht, wie man etwa dem kulturhistorischen Lexikon von Helmut R. Tödter über dieses Gebiet entnehmen kann.

Bei Ackermann hätte ich auch eher an den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank und weniger an einen Landwirt gedacht.

Hessen liegt bei mir weniger im Focus. Es ist natürlich klar, dass der Begriff "irgendwo" schon im Mittelalter gebräuchlich war, sonst könnte Herr Ackermann nicht diesen Familiennamen tragen. Ich nehme als interessante neue Information mit, dass der Begriff auch ohne die ihm offenbar nur regionsabhängig zugebilligte Bedeutung benutzt wird, jedenfalls in Hessen.

Gruß, Tonx
 
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