Fundstücke (makabres, trauriges, erheiterndes)

Hellstein (Dek. Gelnhausen), 06.03.1788:

"Am 6.Mertz ward A. Catharina
des Conrad Söltzners Ehefrau welche
in dem Wasser an dem sogenannten
Stedel Rein in welches sie sich aus
Melancholie selbst gestürzet
todt gefunden auf herr=
schaftlichen Befehl mit alle christl.
Solemnitaten begraben, ihres
Alters 41 Jahr weniger 3 Monath."

Gruß

Pascal
 
Ein Arbeitsunfall ebenfalls Hellstein, 30.11.1788:

Am 30ten Nov. starb der Gerichtsschöffe
und Unterthan Johannes Christe zu Neuen=
schmidten eines unglücklichen Todes, er war nemlich
am gemeldetem Tage auf das Gerüst
in seiner Scheuer gestiegen um Futter
vor sein Vieh herab zu werffen stürtzte aber
durch einen, Gott weiß welchen Zufall
vom Gerüst herab und hat sich gäntzlich
besonders am Kopf zerquetschet
so daß er ohne alle Zeichen des Lebens
von denen seinigen aufgefunden worden.
Er ward den 2. Dec. begraben aeti. 54 jahre
2 Mon. etl. Tage.


Gruß

Pascal
 
Ich hatte bisher gedacht, Krankheiten und Naturkatastrophen wären früher so gefährlich gewesen.

Aber die Arbeiten auf einem Bauernhof waren für ein Kind auch nicht ohne:

Hellstein, 23.08.1789
Am 27ten Augst starb des Gerichtsschöffen
Wilhelm Schäfers Töchterlein Anna
Magdalena eines unglücklichen
Todes. es wurde nemlich von dem Kelter=
Knirsch Stein der von der ihn halten=
den Stange losriss am Kopf der=
gestalt zerquetschet daß es sogleich
ohne weitere Lebens Zeichen Todes
verbliche der entselte Körper
wurde am 30ten Dito beerdiget.
Aet 6 Jahr weniger 25 Tagen

Gruß

Pascal
 
In einem Sterberegister von 1719 gefunden:
"den 16. Febr. wurde zu Grab getragen, und zwar auß
Salomon Doldens, Rößlin-Wihrts, Hauß, Agatha Hauserin,
vulgo die Kappenmacherin, die, alß eine viljährige gar
offt gewarnete und gestraffte Trunckenboldin,
ging an Dom[inica] Sexag[esimae] ins Wihrtshauß,
blieb darin unter der Abendkirch sitzen, und wolte,
da andere Leüt auß der Kirch giengen, auß dem Wihrtshauß gehen,
stürtzte aber die Treppe hinunter, daß sie für todt auffgehoben
wurde, doch vermerckte mann noch das Leben bey ihr .. Stunden lang,
und wolten einige, sie wäre wider zu ihr selbsten kommen, ob sie
gleich nicht ... können, andere aber sagten, es wäre fast nicht
mercksam gewesen, daß sie Verstand gehabt. Ob nun wohl der Wihrt
sagte, daß sie mehr nicht gehabt alß ein Schöpplein Wein, woltens
doch andere nicht glauben. Mann läßt es dahingestellt seyn. Vorhin
hatte sie unzehlbare Raüsch gesoffen und vilfältig im Rausch
grewlich geflucht, unflätig sich bezeügt, und jedermann geschmähet,
er möchte Prediger oder obrigkeitliche Personen oder Anverwandte und
andere Leüt seyn. War alt, wurde 59 Jahr.
Ihro möchte man diese Grabschrift setzen:
Die
Ins Wihrts-Hauß fleißig geloffen,
Im Wihrtshauß unmäßig gesoffen,
Ist
im Wihrtshauß vom Todt getroffen."
 
Monstroses Kind (Taufregister Weissach im Tal, Dek. Backnang; ca. 1721))
http://www.archion.de/p/1e3de48284/

Dom.I.p.Epiphan. als den 12. Jan. gebahr Maria Catharina, Joseph Belzen, Beysitzers zu Hohnweiler Haußfrau ein recht monstroses Kind, so ein Knäble worden wäre. Das Züngle, wiewol Mann gar wenig davon sah, schien unten angewachsen zuseyn, statt der Ärmlen hatte es nur zwey Stümplen und auff einem jeden deren vornen etwas wie ein w[arzen?] so war auch nur ein Fießle v. zwar rechter seits da mit drey Zehlen, welches über sich gegen dem Näbele gieng, am hinteren leib unten war es ganz zugewachsen und also kein Hinderle da. Das Weib gibt vor, sie seye an einem solchen monstrosen Bettler beym Backnanger Schießhauß so erschrocken. Wegen großer Schwachheit wurde dieses unglückseelige Kind, als welches 8 wochen zubald solle gebohren seyn, von der wehe Mutter Zuhauß gäh getauft; das beste war eben diß, dass es nur zwey tag gelebt.
 
Geburt und Tod eines Kinds, dessen Mutter eine zum Tode verurteilte „Vagantin und Jaunerin“ war
Landeskirchliches Archiv Stuttgart > Dekanat Schorndorf > Welzheim > Taufregister 1757-1798 Band 3
http://www.archion.de/p/327f2d63e6/
Anno 1761
d. 13. Jan
Wurde auf dem Wacht=Hauß allhier ein
Mägdlein gebohren. Die Mutter heißt
Christina Hackerin, Catholischer Religon, welche von Dörr-
wangen bei Dinkelspiehl gebürtig
und als eine Vagantin u. Jaunerin
allhir gefänglich eingezogen worden,
auch Kraft bereits ergangenem Herzogl.
Befehls nach abgelegtem partu u. über-
standenem Wochenbett decollirt werden
solle; Zum Vatter ihres Kindes hat
sie angegeben Johann Caspar Gentner,
einen Beysitzer und Keßler von Feucht-
wangen Baron-Holzischer Herrschaft, Cathol. Religion,
welcher sein rechtmäßiges Ehweib
und 3. unerzogene Kinder verlassen
und mit dieser Vagantin herum-
gezogen, bis er mit ihr in Gefängl.
Haft gekommen, und durch herzogl n
Befehl zu einer halbjährigen
Zucht-Hauß Strafe condemnirt
worden. Das Kind wurde von
der Hebamme Schwachheitshalber Jähge-
tauft, und ihr bey der Vorstellung
in der Kirche der Nahme
Friederica Christina beygelegt
Zu Tauf Pathen wurden erwählet ....

[Randnotiz:]
Diß Kind starb
d. 12.ten May.
e.a. einen
Monath nach seiner
Mutter Hinrichtung,
welche d. 13. April
strangulirt
worden.

Landeskirchliches Archiv Stuttgart > Dekanat Schorndorf > Welzheim > Mischbuch 1757-1808 Band 4
http://www.archion.de/p/c6b62b82ae/
Anno 1761. ...
d. 12. ten May am Pfingstdienstag Morgens um 8. Uhr
starb das von der d. 13. Aprilis b. a.
allhier gehenckten Vagantin u. Gaunerin
Nahmens Christina Hackerin d. 13. ten Jan.
b. a. allhier auf dem Wacht Hauß ge-
bohren, und von einem Keßler, Joh.
Caspar Gentner von Feuchtwangen,
ex. adulterio erzeugte Kind, Nahmens
Friederica Christina an außzehrenden
Gichtern, und wurde noch selbigen Abend
auf Oberamtl.n Befehl in der Stille
begraben.
 
Notzingen 1675 erschoß im Haus seiner Eltern Jakob und Anna Eppinger der älteste Sohn (Hans Jerg, 21 Jahre alt) seine jüngste Schwester (Anna Maria, 9 Jahre alt)
http://www.archion.de/p/83fa1ab5e1/

Totenbuch Notzingen: "M.DC.LXXV. [1675] Den 18. January hat sich zue Notzingen abendts spath in Jacob Eppingers Hauß folgender trawriger Casus begeben: Allß auff solchen Abendt besagt Jacob Eppingers ältester Sohn Hannß Jerg noch ledigen Standts, nacher Hauß kommen, und seines Vatters Karbiner sehen af der Wand hangen, nahm er solchen herab undt wolte damit auf der Zindpfannen blind fewer geben, nicht wißend daß solcher geladen seye, wie ihn denn sein 2 Geschwistrig beredt der Vatter habe ihn lohß geschoßen, in dem er aber von dem Vatter auff sein abschießen wider mit einer Kugell geladen worden, u. hervon die 2 gegenwertige u. in der Stub sich befindende Künder nichts gewußt, auch der Vatter nicht in der Stub gewesen und der älteste Sohn vielleicht mit dem Schloß unvorsichtig umbgangen, gehet es ohn Versehens loß, u. die Kugel dem Jüngsten Töchterlein Anna Maria aetat 9 Jahr so eben auf dem Lotterbett gelegen, ob dem Aug in den Kopf u. Hirn, worauff zwar alsobald Medici herbey gebracht, aber von ihnen die Wund gleich für unfehlbar tödtlich geachtet worden, wie es denn auch folgenden Morgen vor Tag gestorben, undt den 20. besagten Monats nachmittag Christlich begraben worden. Gott gebe ihm eine sanffte Ruh u. dem Bruder Erkandtniß seiner Unvorsichtigk. Die Geschwistrig haben sonst alle gar fridlich u. liebreich miteinander gelebt, u. der Thäter von Jedermann ein gar gutes Prädicat, außer dem, welches er mit vielen Threnen Berühen u. noch bereuet."

Thomas (Wagner)
 
Sind das nicht alles eher sehr traurige Begebenheiten?

Und - können wir Menschen beurteilen, die vor langer Zeit
gelebt und gelitten haben?

Vor einiger Zeit las ich in
einem Zeitungsbericht über Ahnenforscher und deren
"tolle Entdeckungen":
"... in den Kirchenbüchern findet man alles ... Verbrecher, uneheliche Kinder, und ..." -
Da werden Schicksale an das Licht der unverständigen Öffentlichkeit gezerrt - ob das nicht eher "Sensationsforschung" ist ?
Ergötzen am Leid anderer ?

Warum wurde vor Zeiten jemand "Verbrecher" ?
Warum bekam eine ledige Mutter ein Kind ?

Diese "Verbrecher" haben doch auch meistens Nachfahren,
die doch ein Recht auf Datenschutz und noch
mehr auf menschliches Verständnis haben.

Nichts für ungut für meine Meinung !
 
@ Linde - Fristen für Datenschutz sind längst abgelaufen. Kirchenbücher und Archivmaterial, sind, wenn sie nicht gesetzlichen Fristen unterliegen, öffentlich zugänglich.
Wollen Sie entscheiden welche Tatbestände öffentlich und nicht öffentlich sein sollen/dürfen?
Wenn hier Fundstücke veröffentlicht werden, heißt das doch nicht gleichzeitig, dass man sich an dem Schicksal ergötzt.

Ganz lehrreich sind diese Schicksale für die Dauernörgler aus dem Forum oder für "deutsche Jammerer auf hohem Niveau". Im Vergleich dazu werden diese Luxusproblemchen bedeutungslos. Für ein uneheliches Kind wurde man vor das Kirchengericht gezerrt, angeblich ehrbare Männer in diesen Gremien entschieden damals über Menschenschicksale.... Der Staat unterstützt heute ledige/alleinerziehende Mütter, finanziell samt staatlicher Kinderbetreuung und doch ist es vielen immer noch nicht genug.
Solche Fundstücke sollten zum nachdenken über unser Luxusleben anregen und nicht schon wieder zum nörgeln ....
 
> Dauernörgler < : Ob das vielleicht paßt ?

" Die Kritiker der Elche waren selber welche" ?



> ... Fundstücke füllen ... mit Leben < :

Das ist Geschmackssache; eigene Familiengeschichten ja.

Fremdes Leid liest jeder Familienforscher in den Kirchenbüchern zuhauf.

Wenn die Veröffentlichung dessen "wissenschaftlichen" Untersuchungen - oder "Ermahnung" heute Lebender dienen soll, würde das auch anonymisiert möglich sein. Mit Datenschutz meinte ich eben das.

Freundliche Grüße
 
Streit um einen Toten:

Eine historisch interessante Begebenheit, die den Konflikt zwischen den deutschen Klein- und Kleinststaaten verdeutlicht, hier zwischen Nassau-Oranien und Nassau-Weilburg:

http://www.archion.de/p/6a11380c78/

Am 27. Mai 1758 ist der auf der linken Seite aufgeführte Ernestus Christophorus Thies, Hüttenverwalter der Löhnberger Hütte, auf dieser Hütte gestorben.

Welechem Staat gehörten nun die Bewohner dieser Hütte zu? Die Grenze zwischen den Staaten Nassau-Oranien und Nassau-Weilburg verlief etwa fünf Minuten entfernt von der Hütte. Deshalb beanspruchte auch Nassau-Weilburg die Herrschaft über die Hütte.
Sollte die Hütte zum Amt Löhnberg (Nassau-Weilburg) gehören, dann wäre auch die Pfarrei Löhnberg zuständig. Falls die Hütte aber zum Amt Beilstein (Nassau-Dillenburg) gehörte, dann müssten die Hüttenbwohner in der Kirchengemeinde Niedershausen eingegliedert sein.

Nassau-Weilburg bestimmte nun also, dass die Beerdigung in Löhnberg durchgeführt werden sollte und Nassau-Oranien wünschte die Beerdigung in Niedershausen.Die Angehörigen des Ernestus Christophorus Thies waren stets in Löhnberg zur Kirche gegangen und wünschten daher auch dort die Beerdigung.

Die Löhnberger vertrieben die zur Beerdigung herangeschrittenen Niedershausener mit Steinwürfen von der Hütte und beerdigten den Toten in Löhnberg. Beim nun ausbrechenden wahrhaften Kampf um die Leiche wurde ein Bewohner von Niedershausen getötet und mehrere verletzt.
Nassau-Oranien schickte einen Leutnant mit 200 Mann nach Löhnberg, um die Leiche wieder auszugraben und nach Niedershausen zu bringen, was auch so geschah. Der Tote blieb an der Kirche in Niedershausen beerdigt, aber der Konflikt zwischen den beiden Staaten war noch lange nicht zu Ende. Die lutherischen Löhnberger beschimpften die reformierten Niedershausener noch lange als "calvinische Teufel".

Man beachte, dass der Bericht im Niedershausener Kirchenbuch natürlich sehr parteiisch die Niedershausener als die schuldlosen Opfer darstellt, was die Löhnberger ganz anders sahen.
 
Ein Jahr mit nur wenigen Sterbefällen ist zu Ende:
Haubersbronn, Dek. Schorndorf, 1679

Dankbare Schlussbemerkung des Pfarrers:

"Seinds also Dises Jahr nit mehr alß
2 Seelen auß Diser gemein ge=
scheiden. Welches
Wohl zu merkhen[?] Gott für gsund=
lu[Klecks..?] zu Dankh."

http://www.archion.de/p/56a889e7d0/
 
Inzest 1702 - ganz nüchtern im Kirchenbuch vermerkt:

"Vatter dieser war auch Vatter des Kindes"

www.archion.de/p/e2f7fffe5b/
 
Der Vater der Verstorbenen sei "105 Jar alt gewesen". Und das im Jahre 1630!

http://www.archion.de/p/72e8f68c03/
 
Das fand ich heute sehr traurig:
http://www.archion.de/p/9d4021a275/

"Starb den 6. Juli nachmittag um 4 Uhr, Johann
Phelip Schmidt, SchneiderMeisters daselbsten neu geb. Töchterlein. [...]
Nur einige Minuten gelebt, und jagd
tauft worden. Nata in forma monstrosa mit 2 Köpfen.
Wurde darauf den 8. begraben."

Ob es sich um "siamesische Zwillinge" handelte?

 
Etwas Erheiterndes aus dem Kirchenbuch Ramholz 1700 - 1735, Kirchenkreis Schlüchtern, Kurhessen-Waldeck.
Diese Hochzeit im Jahr 1726 hat den Pfarrer wohl sehr beschäftigt.
Die unterschiedlichen Konfessionen hat er in seiner schmalen Kladde groß und ausladend geschrieben und unterstrichen.
1726
5. Febr: ist Joh. Weining zu
Vollmerz mit Ann: Mar:
Jägerin von Neuen
Cronau copulieret
worden, dabey curios
daß d. Bräutigamb
Catholisch, die Brauth
Reformirt u. der Copulator
Lutherisch, die Hochzeitgäste
Crethi undt Plethi. .. ist
allerhand Sorden unterein
ander.
Kurz vorher hab auch
ein paar frembde
Leuth copulieret.

Möglicherweise hatte der Pfarrer ausgiebig mitgefeiert.
 
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